Woher kommt der Name "Bolleter"?

 

Ein Beitrag zur „Bolleter“ Geschichte

Von Dr. Eugen Bolleter (gest. 1922 in Zürich Wipkingen).

 

Das Geschlecht Bolleter

 

1. Der Name

Der erste Bolleter, von dem wir wissen, dass er in Meilen ansässig war, wird zwischen 1467 und 1481 in den Urkunden genannt Bollit, Bolliter, Bollitor, Plotor, Bollotter. Die ursprüngliche Namensform ist unstreitig Bollit oder Polit; dieser Name kommt schon 1357 in Zürich vor. Es ist eine Verkürzung des Namens Hippolytus, Hippolyt. Dies war ein berühmter italienischer Kirchenvater zu Beginn des dritten Jahrhunderts. Der in der Ostschweiz vorkommende Taufnahme wird wegen der unbehaglichen Länge und des fremdartigen Klanges abgekürzt zu Polit. Nach dem Idiotikon gebrauchte man 1525 in der Schwyzer March die kurze Form Bolet oder Bolt. In Graubünden und Glarus kommen für Hippolyta die Wörter Bolete und Polete vor. In Oesterreich hat die Stadt St. Pölten von dem genannten Kirchenheiligen den Namen, im Elsass St. Pelten.

Mit der Ausbreitung des Christentums bei den Alemannen mischten sich seit dem achten Jahrhundert unter die gebräuchlichen germanischen Personennamen kirchliche, dem alten und dem neuen Testament oder der Kirchengeschichte entnommene Namen. Mit der Stärkung des Einflusses der Kirche wurden diese Taufnamen häufiger. Die Vermehrung der Bevölkerung und des Verkehrs vom zwölften Jahrhundert an und die Tatsache, dass viele Personen den gleichen Taufnamen trugen, machte eine genauere Bezeichnung der Personen nötig; es entstanden die Geschlechtsnamen. Sehr oft wurden zu diesem Zwecke Taufnamen verwendet, die sich allerdings, wenn sie nicht kurz waren, Kürzungen gefallen lassen mussten. Jakobus wird zu Jakob, Johannes zu Hans, Jesephus zu Jos oder Jost, Hilarius zu Lari, Georgius zu Jörg usw.

Die Anhängung der Endsilbe –er mag in ähnlicher Weise geschehen sein wie die Bildung von Geschlechtsnamen aus Örtlichkeiten (Schwyzer, Glarner, Zolliker). Sie weist auf die Herkunft. Bolliter würde demnach heissen „Sohn des Bollit“. Ähnlich sind entstanden Klauser, Jakober. Die Schreibweise der Namen war zu einer Zeit, da dieselben nur wenig aufgezeichnet wurden, noch sehr unsicher und veränderlich. Darum finden wir für eine und dieselbe Person verschiedene Formen, sowohl des Tauf- als auch des Personennamens.

 

2. Die Bolleter in Zürich

Älter als die Bolleter in Meilen sind diejenigen in Zürich. Schon 1357 wird ein Polit genannt, der Bürger war. Er wohnte im so genannten Manessehaus am Rennweg (in der Gegend der Bratwursterei Bär) und zahlte damals zwei Schilling Steuer. Auch in den Steuerbüchern der folgenden Jahre wird er aufgeführt. 1394 wird Heini Polet, erwähnt, 1400,

der Boliter geheissen. Unter den Bögen wohnt 1401 im Rappoltshaus (Saffran) der Krämer Rudi Bollit, der zehn Schilling Gutssteuer gab. Er wird auch 1428 erwähnt. 1434 bevollmächtigt Hans Fittel von Augsburg vor offenem Gericht in Zürich den Heini Politt, Gürtler, Bürger der Stadt, sein Guthaben bei Leonhard Riser in Baden ein zu treiben. Es ist wahrscheinlich derselbe, der 1443 am alten Zürichkrieg teilnimmt; er heisst da Pollitt und wird als Mitglied der Krämerzunft bezeichnet. 1493 besass Jakob Bollit eine Metzgbank; Hans, wohl der Sohn, wurde 1513 Zwölfer in der Zunft zur Metzgern. Rudolf Pollet machte 1515 den Zug nach Marignano mit; er geriet nach der Schlacht in Gefangenschaft, wurde aber bald wieder entlassen. Er war ein ausgelassener, rauflustiger Geselle; wegen ungeschickter Händel wurde er oft gebüsst. An der Fastnacht 1528 kam er in den Wellenberg und erhielt eine Busse von einer Mark Silber wegen „burenböggenwerchs“, auch wurde ihm verboten, ausser in Geschäften seines Handwerks nach Betzeit das Haus zu verlassen, zu spielen oder ins Wirtshaus zu gehen. Von nun an wird das Geschlecht als ausgestorben bezeichnet.

Das Wappen der Bollit weist eine gelbe Palette in rot auf, es ist also redend, da Palette im Mittelalter Bollet genannt wurde. Eine Variation desselben weißt in der Palette ein Kreuz auf; der Grund oder Fuss des Wappens ist grün. Es ist möglich dass den Polit nach der Beteiligung am alten Zürichkrieg gestattet wurde, diese Änderung anzubringen. Ein neueres Wappen, das ein Metzgermesser mit zwei Sternen und ein Haupt mit drei Kreisen enthält, weist auf den Beruf hin.

Nicht zu verwechseln mit dem genannten Geschlecht sind die Bolleter, welche um 1500 von Regensberg an der Donau nach Zürich kamen. Wolfgang Bollat, der sich hier niedergelassen hatte, gibt 1522 als Busse ein Pfund fünf Schilling, da er Hans Zimmermanns Knecht ab dem Zürichberg geschlagen. Seinem Sohn Heinrich Bolenter wurde, weil er im Kappelerkrieg mit gestritten und sich allerlei Verdienste erworben hatte, 1538 das Bürgerrecht der Stadt geschenkt. Das Geschlecht erlosch bald. Im 19. und im 20. Jahrhundert nahm die Stadt neuerdings Bolleter als Bürger auf, welche alle aus Meilen stammen. Es sind folgende Familien: 1863 Konrad Bolleter, alt Metzger.

1875 Johannes Bolleter, Schneider, geb. 1804, und sein Sohn

Georg Bolleter, Architekt, geb. 1846.

1876 Heinrich Bolleter, Schneider, geb. 1838.

1877 Rudolf Bolleter, alt Schuhmacher, geb. 1807.

1883 Johannes Bolleter, Schreiner.

1886 Eduard Bolleter, Primarlehrer, geb. 1848.

1908 Werner Bolleter, Wirt, geb. 1849.

1909 Werner Bolleter, Kanzlist, geb. 1858.

1915 Johann Jakob Bolleter, Kesselschmied, geb. 1869.

Die Familie von Konrad erlosch schon 1864. Sie wird genannt in Verbindung mit dem Wappen der Bolleter in Egli’s Wappenbuch: Schild schräg links geteilt, mit sechsstrahligem Stern, intermittierend rot und weiss.

 

3. Die Bolleter von Meilen

Hans Bolliter zu Obermeilen gibt 1467 eine Gütersteuer von zehn, im Jahre 1470 eine solche von fünf Schilling. Der genannte ist zu dieser Zeit der einzige Angehörige des Geschlechtes Bolleter; vor 1467 kommt es in Meilen nicht vor. Hans Bolliter ist also als der Stammvater der Meilener Bolleter zu betrachten. 1473 zahlt Hans Bollotor drei Pfund neuen Schilling acht Pfennig Busse. 1475 geben der Bollit und Wernli Glarner zu Obermeilen zwei Pfund jährlichen Zins an das Kelleramt der Probstei in Zürich ab ihren Gütern an der Letzi gelegen. 1477 verkaufen Hans Bollit und seine Ehefrau Margret Schanolt (aus der Gegend von Grüningen), an Rudolf Gigermeier, Bürger von Zürich, einen jährlichen Zins ab ihren Matten dem Garten und Hofstättlein im Dorf zu Obermeilen um vierzig Pfund Pfennige, „stosst an ir hus und heiligen hüsli“. Genauere Auskunft über diese Örtlichkeiten enthält die betreffende Gült von 1477, wo es heisst, dass Hans Bolliter dem Rudolf Gigermeyer zwei Pfund schulde für eine Wiese im Fluh, Anstösser Hans Schedler und Steinegger, sowie Hofstatt und Garten zu Obermeilen im Dorf, welche stossen: erstens an den See, zweitens an Kilchweg, drittens an Bolliters Haus und Hofstatt, viertens an der Heiligen Hüsli. 1481 wird Hans Bolliter als tot erwähnt. Die obigen Angaben lassen bestimmen, wo das Haus des ersten Bolleter war. Es stand vermutlich da, wo jetzt das so genannte ‚Rathaus’ ist. Da dieses ungefähr in seiner jetzigen Gestalt schon 1531 existierte – es fand damals darin nach der Kappelerschlacht eine Versammlung von Männern aus allen Gemeinden vom See statt, woher der Name — so ist es möglich, dass es auch schon zu Bolliters Zeit bestand. Es enthielt von jeher zwei Wohnungen; die eine hatte damals inne Hans Bolliter, die andere Wernli Glarner (siehe auch oben). Das Heilighüsli oder die Kapelle von Obermeilen bestand bis vor wenig Jahren; es wurde beim Bau der Wetzikon-Meilen-Bahn abgebrochen. Es war ein altes Häuschen mit Spitzbogenfenstern. Von da aus führte die Letzimauer durch Wiesen und Rebberge gegen das Oberdorf und gegen die Burg hinauf.

1481 heisst es, dass die Erben Hans Poloters dem Berchtold dem Sattler eine Busse von elf Schilling drei Pfund geben. Es ist also wahrscheinlich, dass mehrere Söhne waren. Von Jakob Bolliter hören wir um 1480, da er an eine Gült ein Pfund fünf Schilling entrichtete; mehr wissen wir von Konrad. 1513 ist dieser Conrad Bollater beteiligt am Feldzug der Eidgenossen nach Hoch-Burgund wider den König von Frankreich. 1517 wird Conrad Bollenter von Obermeilen von Hans Weber daselbst gewundet, wonach er eine Trostung von hundert fl. erhält. 1522 un d 1524 zinst Conrat Bolleter ins Kelleramt, ebenso 1526 (Cünrat Bollitor).

1535 haben die Brüder Rudolf, Jakob und Gorius (Gregorius), die Boloter zu Meilen, Streit mit ihren Schwestern Anna und Trine, welche glauben, ihre Brüder hätten sie, als sie noch Kinder waren, um ihren Erbteil „schimpflich ausgerichtet“. In der Folge hören wir nur noch von Jakob, welcher sein Gut sehr zu mehren wusste und in der Gemeinde grosses Ansehen genoss. Von 1534 an entrichtet er einen Zins von Reben im Feld an das Kammeramt in Zürich, ebenso von einer Wiese im Erismoos, die er von Uli Held zu Uetikon

übernommen hatte. 1546 ist Jakob einer der zehn Geschworenen der Gemeinde Meilen. 1561 Ehegaumer. Sehr oft wird er im Taufbuch als Pate erwähnt. 1562 starb er an „Hunger, Durst und Hauptweh“ (Hirnhautentzündung).

Manche Angehörige des Geschlechtes erlagen im sechzehnten Jahrhundert dem „grossen Sterbent“, der Pest, welche in Meilen besonders arg hauste. In den Jahren 1549 bis 1550, 1564, 1582, 1586, 1587, 1596 bis 1597. 1564 starb unter anderen Margret B. mit zwei Söhnen; 1596 scheint Heinrich B. die Krankheit von Schönbrunn, wo er geerntet hatte und wo sie wütete, eingeschleppt zu haben. Er starb noch am Abend seiner Rückkehr; ihm folgten 1597 über vierzig erwachsene Meilemer nach (die Kinder wurden gar nicht aufgeschrieben).

Nach dem Tode Jakobs mussten seine beiden Söhne, Hans und Heinrich (Bolteren), den oben genannten Zins von der Wiese im Erismoos gemeinsam ins Kammeramt entrichten. Hans als ältester Sohn zinst allein schon von 1552 an für ein einviertel Juchart Reben in Meilen unter dem Dorf gelegen. Der gemeinsame Zins wird bis 1591 entrichtet, als Heinrich, genannt der Fischer, starb, für ihn zinst von hier ab sein Sohn Rudolf, während der Anspruch von Hans 1597 durch Verkauf erlischt.

In allen Bolleter Familien waren die Namen Hans, Heinrich, Rudolf, Margret, Barbara, Elsbeth gebräuchlich. Da von 1567 bis 1629 im Taufregister der Name der Mutter fehlt, ist es sehr schwer, die richtigen Geschwister zusammen zu finden.

Hans Jagli Bolter wurde 1634, als die erste genaue Volkszählung des Kantons Zürich stattfand, in Obermeilen - Unterdorf, Kirchgasse, wohnhaft erwähnt. Er lebte also im alten väterlichen Heim. Er hatte seine Schwester Regula und eine Verwandte Elsbeth bei sich. Zu dieser zeit lebten in Meilen sieben Familien Bolleter.

Hans Heinrich Bolleter wurde 1774 mit Margret Bosshard von Bauma vermählt, aus welcher Ehe die beiden Söhne Jakob und Heinrich entsprossten.

Heinrich Bolleter erhielt den Zunamen ‚Schider Ruch’. Auch die übrigen Linien des Geschlechtes Bolleter hatten besondere Beinamen; heute sind neben „Ruch“ erhalten „Girbeli“, „Chriesi“, „Heuwätter“.

 

4. Herkunft

Woher kamen die Bolleter von Meilen? Es ist wahrscheinlich, dass sie von den Polit zu Zürich abstammen. Ähnliche Fälle der Übersiedlung von Stadtbürgern auf die Landschaft haben wir bei den Familien Wunderli und Biber. Die Wunderli kamen 1435 von Zürich nach Feldmeilen; ein Zweig verblieb in der Stadt, wo er 1808 ausstarb. Die Biber erhielten vom Fraumünsterkloster 1400 einen Meierhof in Horgen; in Zürich starben sie um 1450 aus; während sie dort zur Blüte gelangten. Übrigens hatten zahlreiche Stadtzürcher Eigengüter in Meilen. Vielleicht stammen aus der Stadt die engen Beziehungen, die Hans Bollit zu Rudolf Gigermann hatte.

Wie kamen die Polit nach Zürich? Die Stadt entwickelte sich besonders im elften bis vierzehnten Jahrhundert. Schon die Kaiserbesuche und öfters Reichsversammlungen zwischen 1000 und 1100 trugen zur Anlockung der Bevölkerung bei. Später waren es die entstehenden Gewerbe und der Handelsverkehr, der über Zürich ging, welche viele Landbewohner anzogen, nicht zuletzt aber auch die schützenden Mauern der Stadt, innerhalb welchen man allerlei politische Rechte genoss, hiess es doch „Stadtluft macht frei“. In dieser Zeit sind wohl die Polit von der Landschaft her — wir vermuten aus der Ostschweiz und vielleicht von der Gegend der March im Kanton Schwyz — nach der Stadt Zürich übergesiedelt.

Aenliches wissen wir von den Wunderli, die um 1400 von Uerikon nach Zürich kamen. Ferner von den Geschlechtern der Billeter (von Bilten), und der Glarner (von Glarus), die schon 1357 mit den Polit Bürger der Stadt waren und im 15. Jahrhundert auch in Meilen ansässig wurden.

Das Kloster Einsiedeln hatte in der March und in Meilen Grundbesitz. Hier gehörten ihm auch die Kirche und der Zehnten.

 

5. Die ältesten Glieder der Familie Bolleter

Hans Bolliter † 1481

Konrad Bolleter † um 1530 Jakob Bolleter †

Rudolf † 1556 Jakob † 1562 Gorius † Anna † Trine †

Hans † Heinrich † 1591 Margret † 1564

Hans geb. 1569

Barbeli geb. 1593 Hans Jakob geb. 1598 Anna geb. 1604 Regula geb. 1610 Barbel geb. 1629 Vreneli geb. 1632 Anneli geb. 1638 Hans Georg geb. 1641

 

Abschrift im Wortlaut von

einer Karbon-Kopie eines getippten Manuskriptes

durch Heinrich Bolleter-Zellweger 2008-11-19