Fromme Gedanken in der Küche

Meine Theologie, mein Verständnis von Gottes Wesen, Reden und Handeln — Sie bilden den Kern meines Glaubens.

Die Frömmigkeit — das sind die Schalen, welche sich um diesen Kern gebildet haben.

Es ist wie bei einer Zwiebel. Der Wachstumskeim im Herzen der Zwiebel ist zart. Er wird geschützt durch die Zwiebelhüllen.

 

Ich stelle fest, dass ich sehr wenig weiss und wenig erfahre über die „Theologie“ meiner Mitmenschen. Da halten wir uns sehr bedeckt. Vielleicht auch, weil wir den Kern der Sache selber zu wenig ergründet haben.

Die Äusserungen der Frömmigkeit meiner Mitmenschen jedoch kann ich sehr wohl wahrnehmen und darüber nachdenken. Ich frage mich oft, was die Dichte und Grösse der „Zwiebelschalen“ bestimmt — was unsere Frömmigkeit und unsere Überzeugungen prägt. Es ist nicht so sehr der Kern. Es ist vielmehr die Umgebung, unsere Sozialisation, aber auch unsere Hege und Pflege der Frömmigkeit, die wir suchen.

 

In unseren Auseinandersetzungen über den Glauben geht es im Alltag weniger um den Keim, die Mitte, sondern um die Schichten, welche sich darum herum gebildet haben.

Schon Augustinus Aurelius versuchte zu unterscheiden zwischen Kern und Schale. „Im Wesentlichen Einheit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem Liebe“. John Wesley hatte diesen Ansatz in seinem Nachdenken über die Frömmigkeit aufgegriffen. Es sollte helfen, dass verschiedene Frömmigkeitstypen in der Gemeinschaft zusammenleben und zusammenbleiben können.

 

Meine Frömmigkeit und die Frömmigkeit meiner Mitmenschen darf ich hinterfragen, das zerstört die Einheit nicht! Ich wundere mich jedoch über die Vielfalt, welche mir da begegnet. Mit Bildern gesagt: Perlzwiebeln, Silberzwiebeln, Hauszwiebeln, Allium und Lauch ... Die einen exotisch-individualistisch, andere konservativ-risikoscheu, oder praktisch und leidenschaftslos, aber auch scharf-abgrenzend und rezeptkonform. Es gibt in der Natur die  Verdrängung der Schwächeren durch die Stärkeren. es gibt in der Küche den Streit um den Geschmack. Lieber betrete ich den Garten Gottes — oder unsere Küche — wo die Verschiedenheit mit Liebe gepflegt wird?

 

Hoppla... jetzt muss ich meiner Leidenschaft im Ruhestand nachgeben und den Platz vom Arbeitszimmer in die Küche wechseln. Es gibt eine Sauerkraut-Pastete.

 

Heinrich Bolleter                                                                  Mariä Himmelfahrt 2017

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Herbert Uhlmann (Sonntag, 22 Dezember 2019 12:45)

    Lieber Heinrich Bolletter,
    Du lieferst uns sehr schöne, wirklich hilfreiche Gedanken zu mancherlei aufregenden Ereignissen, denen sich die Diskussionskultur in der UMC offenbar nicht wirklich gewachsen zeigt. - Herzlichen Dank, v erbunden mit
    Segenswünschen, die übers Weihnachtsfest weit in das kommende Jahrzehnt hinein gelten...