Werte wie „Wahrhaftigkeit“ werden heutzutage dem Haschen nach Erfolg und Anerkennung nachgeordnet. Beim Auftritt im Internet und auch im beruflichen und politischen Alltag ist die Frage nicht so sehr, was wahr ist, sondern was ankommt, was fliegt.
Ralph Keyes, hat deshalb unsere Zeit als „The Post-Truth Era“ beschrieben (Das Buch mit demselben Titel ist 2004 bei St. Martin’s Press, New York, erschienen).
In einer Zeit, in der ‚Fiction’ und ‚Non-Fiction’, Wahrheit und „nachgebesserte Wahrheit“ nicht mehr klar gegeneinander abgegrenzt werden, entsteht nicht nur ein verbreitetes Misstrauen, sondern auch eine heimliche Angst vor einer Demaskierung. Wem können wir noch vertrauen?
Woher kommt es, dass für Businessleute, Politiker, Militärs, Richter, Zeitungsleute, Frauen und Männer sich die Grenzen zwischen Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit verflüchtigen? In unsrer Kultur darf man oder frau keine Schwäche zeigen, und solange die Halbwahrheiten und Unwahrheiten nicht demaskiert werden, gelingt es, sich selber oder auch die Verhältnisse oder die Arbeits- und Lebensbilanz in ein besseres Licht zu stellen.
Der Relativismus, der in ethischen Fragen verbreitet ist, das verflixte „gut-sein-müssen“ sowie die von den Medien arrangierten Selbstinszenierungen fördern die Einstellung, dass nicht so sehr zählt, was wahr ist, sondern was ankommt.
Eine solche Einstellung jedoch erodiert das Grundvertrauen, welches die Basis jeder gesunden Zivilisation bildet. Der Druck der Leistungskultur, welche uns umgibt, darf dabei nicht übersehen werden.
Kirchliche Gemeinschaften halten die Werte Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit hoch. Praktisch ist es jedoch sehr schwer, diese Werte einzufordern oder ein Verhalten, welches nicht von diesen Werten getragen ist, an zu sprechen oder zu kritisieren. Es ist leichter, in eine andere Gemeinschaft aus zu weichen, als sich korrigieren zu lassen.
„Speaking the truth in love“ war die Devise, welche John Wesley (Gründer der methodistischen Bewegung) allen Menschen empfahl.
hb
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