Die Kirche reibt sich an der Kultur und den Werten der Zivilgesellschaft.
In der Kirche habe ich gelernt, dass Verbindlichkeit für die persönliche Integrität, für das Zusammenleben und für den Aufbau der Gemeinde zentral sei. „Ein Christ lebt verbindlich!“
In der Zivilgesellschaft wird ein solches Maß an Verbindlichkeit jedoch kaum praktiziert. Wir zögern, Verpflichtungen ein zu gehen, welche unsere Freiheit begrenzen.
Die Optionen offen halten...
Verbindliche Entscheidungen — und das im kirchlichen Rahmen erst noch auf Lebenszeit — verschließen andere Optionen und Wege. Das gilt für die Konsumwelt, die Partnerbeziehungen und für die Wahl einer Kirchgemeinde. Es kann immer noch etwas Besseres geben, das wir uns nicht verbauen wollen. Verbindliche Zusagen für Termine und Veranstaltungen werden in der Internet-Generation bis zum letzten Augenblick vermieden, um spontan noch einem besseren Angebot Folge zu leisten.
Die Tatsache, dass eine Anmeldung für den European Methodist Festival in Krakau, der doch erst im August stattfinden sollte, schon im Mai erfolgen sollte, hat sich mit dem Verhalten der Zeitgenossen als nicht kompatibel bewiesen. Die verantwortlichen Planer haben darauf erschreckt die Veranstaltung abgesagt.
Die Kultur, offene Optionen möglichst offen zu behalten, führt dazu, dass größere Events und Gruppenanlässe sich nur schwer planen und dann auch finanzieren lassen.
Gemeindeprogramme, welche mehrere Treffen einer Gruppe vorsehen, werden immer weniger besucht. Wir wünschen solche Programme, aber wir geben keine verbindliche Zusage der Teilnahme.
In der Diskussion über die Entwicklung der Kirchen in der Schweiz in die Zukunft wurde im Blick auf die Volkskirchen — welche einen wachsenden Mitgliederverlust verzeichnen — gesagt, sie müssten sich von der Volkskirche zur „Mitgliederkirche“ entwickeln. Macht eine solche Überlegung Sinn, wenn wir andererseits feststellen, dass in den Freikirchen es auch schwieriger wird, neue Mitglieder in eine verbindliche Beziehung aufzunehmen? Selbst sehr engagierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wählen die offene Option „Freunde der Gemeinde“ zu sein. Sie wollen nicht der Institution Kirche beitreten, welche sie am liebsten lebenslang verpflichten würde.
Für mich bleibt Verbindlichkeit und Treue ein wichtiger Faktor für den Aufbau einer christlichen Gemeinschaft. Wie aber holen wir jene ab, welche in einer Kultur der offenen Optionen leben? Sollten wir ihnen anbieten, was in der Gründerzeit in den ersten methodistischen Gruppen und Gemeinden üblich war: eine Mitgliedschaft auf Zeit... ein Jahr mit der Option der Verlängerung?
Eine ähnliche Überlegung hätte auch ihren Platz in der Frage der Berufungen und Ämter. Noch tendieren wir darauf, eine Berufung auf Lebenszeit an zu legen. Kann es eine Ordination auf Zeit geben, mit der Option zur Verlängerung?
Ist das Offenlassen verschiedenster Optionen hilfreich, oder kann eine verbindliche Entscheidung, welche bewusst verschiedene Optionen ausschließt, nicht auch ein Segen sein?
Heinrich Bolleter
Michael King, the Methodist Vice-President (GB) said recently: "The hardest thing for many to accept is the role of change"
Kommentar schreiben